SF in der DDR

Science Fiction im „Leseland DDR“

von Wolfgang Both und Ralf Neukirchen

Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur setzt mit der Ausstellung „Leseland DDR“ ihre Posterserie zur Aufklärung über das Leben in der ehemaligen DDR fort. Diesmal geht es um den von Erich Honecker geprägten Begriff des „Leseland DDR“. Auf insgesamt 20 Tafeln im A1-Format werden Themen wie Märchenbücher, Krimis, Kochbücher, „Giftschrank“, sowjetische Literatur oder auch Science-Fiction-Literatur aufgegriffen. Mit dieser Ausstellung leistet die Stiftung Aufarbeitung einen Beitrag zur Kulturgeschichte der DDR und regt an, sich anhand der Literatur damit auseinanderzusetzen. Sie hat bereits mehrjährige Erfahrungen mit solchen Ausstellungen. Diese werden hauptsächlich von Bildungseinrichtungen, wie Bibliotheken, Volkshochschulen oder Landeszentralen für Politische Bildung bestellt und genutzt. Letztlich kann aber jede Privatperson oder Institution das Material gegen eine geringe Schutzgebühr bestellen: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/vermitteln/ausstellungen/leseland-ddr

Die SF-Klubs in den Neuen Bundesländern sind Anfang des Jahres angesprochen worden, ob sie ergänzendes Material zur Tafel 12 „Als gestern noch morgen war“ bereitstellen könnten. Hier wird kurz die wissenschaftlich-phantastische Literatur – wie sie offiziell in der DDR hieß – beleuchtet. Wir haben dieses Angebot mit Interesse aufgegriffen, an der Gestaltung der Leittafel mitgewirkt und sechs ergänzende Poster zum Thema „Science Fiction in der DDR“ gestaltet. Hierzu konnten wir auf unsere Geschichte des DDR-Fandoms „Berichte aus der Parallelwelt“ (1998) und die Chronik des Freundeskreises Science Fiction Leipzig (2010) zurückgreifen. Nach dem Titelposter werden fünf Aktivitätsfelder des DDR-Fandoms illustriert. Im Mittelpunkt stehen natürlich die SF-Klubs selbst. Neben den „offiziellen“, also von einer staatlichen Organisation wie dem Kulturbund der DDR oder der Freien Deutschen Jugend getragenen Klubs gab es auch private, wie die Briefkontaktgruppe um den Autor Carlos Rasch und den Sondershäuser Kreis. Die zwangsweise Auflösung des Dresdener Stanislaw-Lem-Klubs stellte 1972/73 eine tiefe Zäsur im ostdeutschen Fandom dar. Erst Mitte der 1980er Jahre fanden sich neue Gruppen zusammen, die heute noch aktiv sind. Wichtig im Klubleben sind Begegnungen mit Autoren und Verlegern. Dem widmet sich die dritte Tafel. Während der Jahrzehnte der deutschen Teilung gab es nur wenige Kontakte zwischen dem Fandom in Ost und West. Wer einen Brief- oder sogar Buchtauschpartner hatte, konnte sich glücklich schätzen. Aber die DDR-Postkontrolle ließ nur wenig „Schund- und Schmutzliteratur“ passieren. Ein Forum, um sich auszudrücken und auszutauschen, sind Fanzines. Die konnten in der DDR wegen des staatlichen Monopols über Papier- und Druckkapazitäten nur in Kleinstauflagen als Schreibmaschinendurchschläge produziert werden. Trotzdem sind zwischen 1967 und 1989 insgesamt 33 verschiedene Fanzines mit 223 Ausgaben erschienen. Nach dem Mauerfall bis zum Beitritt kamen noch einmal acht neue Fanzines hinzu, die nun richtig über Drucker und Kopierer in höheren Stückzahlen geliefert werden konnten. Die sechste Tafel widmet sich den wenigen SF-Cons in der DDR. Hier fehlte sowohl die organisatorische Basis als auch die Bereitschaft staatlicher oder kultureller Einrichtungen, derartige Fantreffen zu genehmigen und zu unterstützen. Zu groß war die Angst vor unkontrollierten „Umtrieben“. So wich man auf Jugendherbergen oder Bibliotheken aus. Erst Ende der 1980er Jahre gab es in Ostberlin mehrtägige Veranstaltungen. Der erste „DDR-Con“ im Oktober 1990 war zugleich auch der Letzte.

Diese sechsteilige Posterreihe zur „SF in der DDR“ kann zusammen mit den 20 Tafeln zum „Leseland DDR“ bestellt werden, aber auch als selbstständige Serie. Ihre Bestellung ist bereits jetzt über die Internetseite www.leseland-ddr.de möglich und sie werden mit Eröffnung der Ausstellung im September 2022 ausgeliefert. Unsere Poster wurden vom Leipziger Grafiker Mario Franke (KLP 1999) gestaltet. Ergänzend zu einer Ausstellung werden Begleitmaterialien, Foren und Gespräche angeboten. Über QR-Codes haben wir Hintergrundinformationen eingebunden. So gibt es eine Liste „50 aus 500“ mit erwähnenswerten SF-Büchern aus der DDR und einen Podcast mit dem Schriftstellerehepaar Johanna und Günter Braun.

SF2:
PDF-Download: Liste mit Adressen von SF-Klubs
Leseland_klubadressen

PDF-Download: Flyer mit Bestellmöglichkeit von Büchern zur DDR-SF-Geschichte
Leseland_flyer-fandom-geschichte

SF3:
Podcast mit den Autoren Johanna und Günter Braun (ein Podcast des Memoranda Verlags, bei dem auch unter anderem die erweiterten Werkausgaben von Erik Simon und Angela & Karlheinz Steinmüller erscheinen)
https://www.memoranda.eu/?podcast=folge-10-johanna-braun-und-guenter-braun-im-gespraech-1990

PDF-Download: 50 aus 500 – eine Liste von Empfehlungen für DDR-SF (A-Z)
leseland_50_aus_500_A-Z

SF4:
PDF-Download: 50 aus 500 – eine Liste von Empfehlungen für DDR-SF (jahresweise)
leseland_50_aus_500 jahresweise

SF5:
PDF-Download: Buchbesprechung der Amateuranthologien von 1976 und 1990
Leseland_Bespr-Begegnung1990

SF6:
Die Science Fiction-Literatur in der DDR – ein Essay von Erik Simon:
https://www.tor-online.de/feature/buch/2019/07/die-science-fiction-literatur-in-der-ddr-ein-ueberblick/

PDF-Download: Buchbesprechung des letzten in der DDR erschienenen SF-Romans „Der Traummeister“
Leseland_Bespr-Traummeister1990